Brennnesselwochen vom 29.4.-21.5.2023 in Kreuzlingen und Winterthur

Erzählungen

MÄRCHEN

In den Märchen wird die Kraft der Brennnesselpflanze erkannt:

Die sechs Schwäne - Ein Märchen der Brüder Grimm

Es jagte einmal ein König in einem grossen Wald und jagte einem Wild so eifrig nach, dass ihm niemand von seinen Leuten folgen konnte. Als der Abend herankam, hielt er still und blickte um sich, da sah er, dass er sich verirrt hatte. Er suchte einen Ausgang, konnte aber keinen finden. Da sah er eine alte Frau mit wackelndem Kopfe, die auf ihn zukam; das war aber eine Hexe.

"Liebe Frau," sprach er zu ihr, "könnt Ihr mir nicht den Weg durch den Wald zeigen?"

"O ja, Herr König," antwortete sie, "das kann ich wohl, aber es ist eine Bedingung dabei, wenn Ihr die nicht erfüllt, so kommt Ihr nimmermehr aus dem Wald und müsst darin Hungers sterben."

"Was ist das für eine Bedingung?" fragte der König.

"Ich habe eine Tochter," sagte die Alte, "die so schön ist, wie Ihr eine auf der Welt finden könnt, und wohl verdient, Eure Gemahlin zu werden, wollt Ihr die zur Frau Königin machen, so zeige ich Euch den Weg aus dem Walde."

Der König in der Angst seines Herzens willigte ein, und die Alte führte ihn zu ihrem Häuschen, wo ihre Tochter beim Feuer sass. Sie empfing den König, als wenn sie ihn erwartet hätte, und er sah wohl, dass sie sehr schön war, aber sie gefiel ihm doch nicht, und er konnte sie ohne heimliches Grausen nicht ansehen. Nachdem er das Mädchen zu sich aufs Pferd gehoben hatte, zeigte ihm die Alte den Weg, und der König gelangte wieder in sein königliches Schloss, wo die Hochzeit gefeiert wurde.

Der König war schon einmal verheiratet gewesen und hatte von seiner ersten Gemahlin sieben Kinder, sechs Knaben und ein Mädchen, die er über alles auf der Welt liebte. Weil er nun fürchtete, die Stiefmutter möchte sie nicht gut behandeln und ihnen gar ein Leid antun, so brachte er sie in ein einsames Schloss, das mitten in einem Walde stand. Es lag so verborgen und der Weg war so schwer zu finden, dass er ihn selbst nicht gefunden hätte, wenn ihm nicht eine weise Frau ein Knäuel Garn von wunderbarer Eigenschaft geschenkt hätte; wenn er das vor sich hinwarf, so wickelte es sich von selbst los und zeigte ihm den Weg.

Der König ging aber so oft hinaus zu seinen lieben Kindern, dass der Königin seine Abwesenheit auffiel; sie ward neugierig und wollte wissen, was er draussen ganz allein in dem Walde zu schaffen habe. Sie gab seinen Dienern viel Geld, und die verrieten ihr das Geheimnis und sagten ihr auch von dem Knäuel, das allein den Weg zeigen könnte. Nun hatte sie keine Ruhe, bis sie herausgebracht hatte, wo der König das Knäuel aufbewahrte, und dann machte sie kleine weissseidene Hemdchen, und da sie von ihrer Mutter die Hexenkünste gelernt hatte, so nähete sie einen Zauber hinein. Und als der König einmal auf die Jagd geritten war, nahm sie die Hemdchen und ging in den Wald, und das Knäuel zeigte ihr den Weg. Die Kinder, die aus der Ferne jemand kommen sahen, meinten, ihr lieber Vater käme zu ihnen, und sprangen ihm voll Freude entgegen. Da warf sie über ein jedes eins von den Hemdchen, und wie das ihren Leib berührt hatte, verwandelten sie sich in Schwäne und flogen über den Wald hinweg. Die Königin ging ganz vergnügt nach Haus und glaubte ihre Stiefkinder los zu sein, aber das Mädchen war ihr mit den Brüdern nicht entgegengelaufen, und sie wusste nichts von ihm. Anderntags kam der König und wollte seine Kinder besuchen, er fand aber niemand als das Mädchen.

"Wo sind deine Brüder?" fragte der König.

"Ach, lieber Vater," antwortete es, "die sind fort und haben mich allein zurückgelassen," und erzählte ihm, dass es aus seinem Fensterlein mit angesehen habe, wie seine Brüder als Schwäne über den Wald weggeflogen wären, und zeigte ihm die Federn, die sie in dem Hof hatten fallen lassen und die es aufgelesen hatte. Der König trauerte, aber er dachte nicht, dass die Königin die böse Tat vollbracht hätte, und weil er fürchtete, das Mädchen würde ihm auch geraubt, so wollte er es mit fortnehmen. Aber es hatte Angst vor der Stiefmutter und bat den König, dass es nur noch diese Nacht im Waldschloss bleiben dürfte.

Das arme Mädchen dachte: Meines Bleibens ist nicht länger hier, ich will gehen und meine Brüder suchen. Und als die Nacht kam, entfloh es und ging gerade in den Wald hinein. Es ging die ganze Nacht durch und auch den andern Tag in einem fort, bis es vor Müdigkeit nicht weiterkonnte. Da sah es eine Wildhütte, stieg hinauf und fand eine Stube mit sechs kleinen Betten, aber es getraute nicht, sich in eins zu legen, sondern kroch unter eins, legte sich auf den harten Boden und wollte die Nacht da zubringen. Als aber die Sonne bald untergehen wollte, hörte es ein Rauschen und sah, dass sechs Schwäne zum Fenster hereingeflogen kamen. Sie setzten sich auf den Boden und bliesen einander an und bliesen sich alle Federn ab, und ihre Schwanenhaut streifte sich ab wie ein Hemd. Da sah sie das Mädchen an und erkannte ihre Brüder, freute sich und kroch unter dem Bett hervor. Die Brüder waren nicht weniger erfreut, als sie ihr Schwesterchen erblickten, aber ihre Freude war von kurzer Dauer.

"Hier kann deines Bleibens nicht sein," sprachen sie zu ihm, "das ist eine Herberge für Räuber, wenn die heimkommen und finden dich, so ermorden sie dich."

"Könnt ihr mich denn nicht beschützen?" fragte das Schwesterchen.

"Nein," antworteten sie, "denn wir können nur eine Viertelstunde lang jeden Abend unsere Schwanenhaut ablegen und haben in dieser Zeit unsere menschliche Gestalt, aber dann werden wir wieder in Schwäne verwandelt." Das Schwesterchen weinte und sagte: "Könnt ihr denn nicht erlöst werden?"

"Ach nein," antworteten sie, "die Bedingungen sind zu schwer. Du darfst sechs Jahre lang nicht sprechen und nicht lachen und musst in der Zeit sechs Hemdchen für uns aus Sternenblumen zusammennähen. Kommt ein einziges Wort aus deinem Munde, so ist alle Arbeit verloren." Und als die Brüder das gesprochen hatten, war die Viertelstunde herum, und sie flogen als Schwäne wieder zum Fenster hinaus.

Das Mädchen aber fasste den festen Entschluss, seine Brüder zu erlösen, und wenn es auch sein Leben kostete. Es verliess die Wildhütte, ging mitten in den Wald und setzte sich auf einen Baum und brachte da die Nacht zu. Am andern Morgen ging es aus, sammelte Sternblumen und fing an zu nähen. Reden konnte es mit niemand, und zum Lachen hatte es keine Lust; es sass da und sah nur auf seine Arbeit. Als es schon lange Zeit da zugebracht hatte, geschah es, dass der König des Landes in dem Wald jagte und seine Jäger zu dem Baum kamen, auf welchem das Mädchen sass. Sie riefen es an und sagten: "Wer bist du?" Es gab aber keine Antwort. "Komm herab zu uns," sagten sie, "wir wollen dir nichts zuleid tun." Es schüttelte bloss mit dem Kopf. Als sie es weiter mit Fragen bedrängten, so warf es ihnen seine goldene Halskette herab und dachte sie damit zufriedenzustellen. Sie liessen aber nicht ab, da warf es ihnen seinen Gürtel herab, und als auch dies nicht half, seine Strumpfbänder, und nach und nach alles, was es anhatte und entbehren konnte, so dass es nichts mehr als sein Hemdlein behielt. Die Jäger liessen sich aber damit nicht abweisen, stiegen auf den Baum, hoben das Mädchen herab und führten es vor den König.

Der König fragte: "Wer bist du? Was machst du auf dem Baum?" Aber es antwortete nicht. Er fragte es in allen Sprachen, die er wusste, aber es blieb stumm wie ein Fisch. Weil es aber so schön war, so ward des Königs Herz gerührt, und er fasste eine grosse Liebe zu ihm. Er tat ihm seinen Mantel um, nahm es vor sich aufs Pferd und brachte es in sein Schloss. Da liess er ihm reiche Kleider antun, und es strahlte in seiner Schönheit wie der helle Tag, aber es war kein Wort aus ihm herauszubringen. Er setzte es bei Tisch an seine Seite, und seine bescheidenen Mienen und seine Sittsamkeit gefielen ihm so sehr, dass er sprach: "Diese begehre ich zu heiraten und keine andere auf der Welt," und nach einigen Tagen vermählte er sich mit ihr.

Der König aber hatte eine böse Mutter, die war unzufrieden mit dieser Heirat und sprach schlecht von der jungen Königin. "Wer weiss, wo die Dirne her ist," sagte sie, "die nicht reden kann: Sie ist eines Königs nicht würdig" Über ein Jahr, als die Königin das erste Kind zur Welt brachte, nahm es ihr die Alte weg und bestrich ihr im Schlafe den Mund mit Blut. Da ging sie zum König und klagte sie an, sie wäre eine Menschenfresserin. Der König wollte es nicht glauben und litt nicht, dass man ihr ein Leid antat. Sie sass aber beständig und nähete an den Hemden und achtete auf nichts anderes. Das nächste Mal, als sie wieder einen schönen Knaben gebar, übte die falsche Schwiegermutter denselben Betrug aus, aber der König konnte sich nicht entschliessen, ihren Reden Glauben beizumessen. Er sprach: "Sie ist zu fromm und gut, als dass sie so etwas tun könnte, wäre sie nicht stumm und könnte sie sich verteidigen, so würde ihre Unschuld an den Tag kommen." Als aber das dritte Mal die Alte das neugeborne Kind raubte und die Königin anklagte, die kein Wort zu ihrer Verteidigung vorbrachte, so konnte der König nicht anders, er musste sie dem Gericht übergeben, und das verurteilte sie, den Tod durchs Feuer zu erleiden.

Als der Tag herankam, wo das Urteil sollte vollzogen werden, da war zugleich der letzte Tag von den sechs Jahren herum, in welchen sie nicht sprechen und nicht lachen durfte, und sie hatte ihre lieben Brüder aus der Macht des Zaubers befreit. Die sechs Hemden waren fertig geworden, nur dass an dem letzten der linke Ärmel noch fehlte. Als sie nun zum Scheiterhaufen geführt wurde, legte sie die Hemden auf ihren Arm, und als sie oben stand und das Feuer eben sollte angezündet werden, so schaute sie sich um, da kamen sechs Schwäne durch die Luft dahergezogen. Da sah sie, dass ihre Erlösung nahte, und ihr Herz regte sich in Freude.

Die Schwäne rauschten zu ihr her und senkten sich herab, so dass sie ihnen die Hemden überwerfen konnte; und wie sie davon berührt wurden, fielen die Schwanenhäute ab, und ihre Brüder standen leibhaftig vor ihr und waren frisch und schön; nur dem Jüngsten fehlte der linke Arm, und er hatte dafür einen Schwanenflügel am Rücken. Sie herzten und küssten sich, und die Königin ging zu dem Könige, der ganz bestürzt war, und fing an zu reden und sagte: "Liebster Gemahl, nun darf ich sprechen und dir offenbaren, dass ich unschuldig bin und fälschlich angeklagt," und erzählte ihm von dem Betrug der Alten, die ihre drei Kinder weggenommen und verborgen hätte. Da wurden sie zu grosser Freude des Königs herbeigeholt, und die böse Schwiegermutter wurde zur Strafe auf den Scheiterhaufen gebunden und zu Asche verbrannt. Der König aber und die Königin mit ihren sechs Brüdern lebten lange Jahre in Glück und Frieden.

Das Rockenweibchen

Die hohe Felsenwand im Rücken des Schlosses Eberstein im Murgthale heisst der „Rockenfels“. Darin wohnte vor Zeiten in einer unterirdischen Kammer ein Bergweiblein, zwar weder jung mehr noch schön von Gestalt, doch gar freundlich und dienstfertig über die Massen. Oft pflegte sie des Abends die Spinnstuben der umwohnenden Landleute zu besuchen und erzählte dann dem lauschenden jungen Völkchen allerlei seltsame Märchen, heitere und schaurige. Wo sie weilte, füllten sich die Spulen noch einmal so schnell als sonst, und der Faden wurde noch viel feiner und gleicher.

Damals lebte auf Eberstein ein Burgvogt, ein gar harter, finsterer Mann; der zwang die Mägde im Frauenhaus täglich bis in die tiefste Nacht zur Arbeit und gönnte ihnen kaum ein bischen Brod und Erholung. Unter denselben befand sich auch eine junge schmucke Dirne, Namens Klara, ein ausnehmend frommes, ehrbares Kind; die hatte der Schlossgärtner schon längst zu seiner Liebsten erkoren und sie kam ihm mit gleichen Gefühlen entgegen. Weil sie aber eine Leibeigene von Eberstein war, durfte sie sich, ohne des Vogts Bewilligung, nicht verheirathen, und dieser wusste jedesmal, wenn ihn das liebende Pärchen mit Bitten[1] darum bestürmte, irgend eine Ausflucht, um dies Glück zu verzögern. Einst, als das arme Mädchen recht flehend in ihn drang, nahm er sie an’s Fenster und sagte höhnisch, indem er nach dem nahen Friedhof im Thale deutete:

„Siehst du dort jenes grünbewachsene Grab, neben dem grossen Leichenstein?“

„Ach!“ – seufzte Klara, und die hellen Thränen rieselten ihr über die blühenden Wangen – „ach! das ist ja das Grab meiner armen Eltern!“

„Die Nesseln gedeihen ja prächtig auf diesem Grabe!“ – fuhr der Vogt lachend fort; – „Es ist ja ganz davon überwuchert! Nun, höre mich an: ich habe mir sagen lassen, man habe die Erfindung gemacht, aus diesem Unkraut einen überaus zarten Faden zu spinnen, und darum will ich dir jetzt einen Vorschlag thun. Du sollst mir nämlich aus jenen Nesseln ein Stück Leinwand spinnen, das gerade zu zwei Hemden reicht, aber nicht grösser und nicht kleiner. Das eine wird dann dein Brauthemd, und in dem andern soll man mich einst begraben.“

Mit diesen Worten ging er, boshaft kichernd, seiner Wege; die arme Dirne stund aber voll Bestürzung da und wusste weder Rath noch Trost. In der Trauer ihres Herzens eilte sie dann hinunter zu dem Grab ihrer Eltern und betete und weinte, dass es einen Stein erweichen hätte mögen. Da stund plötzlich das Bergweiblein neben ihr und fragte nach der Ursache ihres Grames. Als ihr Klärchen Alles erzählt, was vorgefallen war, verfinsterte sich das sonst so gutmüthige Gesicht des Bergweibleins und es sagte: „Sey nur ruhig und getrost, es soll dir schon geholfen werden! – Sprachs und riss einen Arm voll Nesseln aus dem Grabe und verschwand damit vor Klara’s Blicken. Diese ging mit erleichtertem Herzen zur Ruhe.

Kurze Zeit nachher jagte der Vogt im Forst über der Murg und kam zufällig auch an den Rockenfels. Dort sass das Bergweiblein am Eingang seiner Höhle und schnellte recht wacker die zierliche Spindel.

„Du spinnst dir wohl ein Brauthemd, du graue Schönheit?“ – lachte der Vogt.

„Ein Brauthemd und ein Todtenhemd, Herr Vogt, zu dienen!“ – versetzte das Mütterchen.

„Du hast ja da gar einen schönen Flachs; den hast du gewiss irgendwo gestohlen?“

„Mit nichten! dort unten ist er gewachsen auf einem armen Bauerngrabe!“

Den Vogt überlief es kalt. Die Jagd war ihm nun entleidet und er kehrte sogleich mit bangem Herzen nach Eberstein zurück, mit sich selbst im Kampfe, ob er das Jawort zu Klärchens Heirath geben solle oder nicht. So vergingen einige Tage, ohne dass er zu einem festen Entschlusse gelangen konnte. Gegen Abend, als er eben beim vollen Humpen im Rittersaal seine ängstlichen Gedanken nieder zu trinken versuchte, erschien Klara, zwei zierliche Hemden auf dem Arme tragend.

„Herr Vogt,“ – sagte sie – „Eurem Verlangen ist nun willfahrt. Hier sind die zwei Hemden aus den Nesseln von meiner Eltern Grabe; das eine für Euch und das andere für mich! Jetzt haltet aber auch Ihr Euer gegebenes Wort!“

„Das will ich gewiss, das will ich!“ – stotterte der Vogt, dem es ganz unheimlich zu Muthe war, – „morgen soll deine Hochzeit seyn!“ – In der That gab er auch sogleich dem Schlossgärtner die Erlaubnis zur Trauung mit Klärchen und [303] versprach, sich selber dem Ehrengeleit in die Kirche anzuschliessen. Aber am nächsten Morgen lastete schon die kalte Hand des Todes auf seinem sündigen Herzen, und als Klärchen und ihr Bräutigam den Segen des Priesters am Altar empfingen und aus der Kirche gingen, lag der Burgvogt auf der Bahre, mit dem Leichenhemd aus Nesseln angethan.

(Siehe Al. Schreiber’s „Sagen aus den Rheingegenden“ etc.)

Die wilden Schwäne

Ein Märchen von Hans Christian Andersen, aus dem Jahr 1838.
Es handelt von einer Prinzessin, die ihre in Schwäne verwandelten Brüder rettet.

In einem Königreich lebt ein König mit seiner Tochter Elisa und seinen elf Söhnen. Eines Tages beschliesst der König, wieder zu heiraten. Doch seine Wahl fällt auf eine boshafte Königin, die sich schon bald als Hexe entpuppt. Mit einem Zauberspruch verwandelt sie die Prinzen in Schwäne, nur Elisa kann dank ihres reinen Herzens dem Zauber widerstehen. Sie muss aber vor ihrer bösen Stiefmutter fliehen; ihre Brüder bringen sie in ein fernes Land, wo sie vor der Königin sicher ist.

Von einer guten Fee erfährt sie, wie sie die Schwäne wieder zurückverwandeln kann: Sie soll auf Friedhöfen Brennnesseln sammeln und daraus Hemden für ihre Brüder weben. Allerdings muss sie versprechen, dass sie so lange kein Wort redet, bis die Aufgabe erfüllt ist; andernfalls würden ihre Brüder sterben. Eines Tages begegnet ihr bei der Arbeit ein fremder König, der sich in die vermeintlich stumme Elisa verliebt und sie zu seiner Königin machen will. Er nimmt sie mit in sein Schloss, wo sie ihre Arbeit fortsetzt. Als Elisas Vorrat an Brennnesseln eines Tages zur Neige geht, begibt sie sich zum Friedhof einer nahen Kirche, um dort neue zu pflücken. Dort stösst sie auf eine Gruppe Hexen, denen sie sich furchtlos nähert. Dabei wird sie aber vom Erzbischof des Königs beobachtet, der sie auch für eine Hexe hält und dies dem König berichtet. Der König glaubt dem Erzbischof und ordnet einen Hexenprozess an. Da Elisa sich wegen ihres Versprechens aber nicht verteidigen kann, wird sie für schuldig befunden und zum Tod auf dem Scheiterhaufen verurteilt.

Noch auf dem Weg zu ihrer Hinrichtung webt sie weiter an den Hemden für ihre Brüder, was die Schaulustigen so sehr erzürnt, dass sie ihr die Hemden wegnehmen und sie zerreissen wollen. Da tauchen Elisas Brüder auf und retten die Prinzessin. Die Leute halten dies für ein Zeichen der Unschuld, doch der Henker will mit der Hinrichtung fortfahren. Elisa gelingt es, ihren Brüdern die Hemden überzuwerfen, und die Prinzen nehmen wieder ihre menschliche Gestalt an. Nur der jüngste Bruder behält einen Flügel, da sein Hemd nicht ganz fertig geworden war. Nachdem die Menschen die Geschichte von Elisa und ihren Brüdern gehört haben, hält der König erneut um ihre Hand an. Elisa willigt ein und wird die neue Königin.

Jungfrau Maleen

Ein Märchen der Brüder Grimm, aus Karl Müllenhoffs Sammlung Sagen, Märchen und Lieder der Herzogthümer Schleswig, Holstein und Lauenburg von 1845.

Ein Prinz und eine Prinzessin namens Jungfrau Maleen lieben sich und wollen heiraten. Ihr Vater will sie jedoch einem anderen geben, und weil sich Maleen seiner Absicht widersetzt, lässt der König sie und ihre Zofe für sieben Jahre in einem Turm einmauern. Als nach Ablauf der Frist die Nahrung ausgeht und niemand sie herauslässt, befreien sich die beiden Jungfrauen aus dem Turm und finden das Reich zerstört. Sie wandern fort und ernähren sich von Brennnesseln. Am Hof ihres Geliebten findet die unerkannte Jungfrau Maleen schliesslich eine Anstellung als Magd. Der Prinz steht kurz vor der von seinem Vater arrangierten Hochzeit mit einer bösen und hässlichen Braut. Diese schämt sich ihres Aussehens so sehr, dass sie Jungfrau Maleen zwingt, heimlich an ihrer Stelle das Brautkleid anzuziehen und sie bei der Trauung zu vertreten. Auf dem Hochzeitszug spricht Maleen zu einer Brennnessel, zum Kirchensteg und zum Kirchentor und deutet so an, die falsche Braut zu sein. Auf die Frage des Prinzen antwortet sie, sie habe nur an die Jungfrau Maleen gedacht. Er hängt ihr als Geschenk ein Geschmeide um. Als abends die verschleierte, hässliche Braut zu ihm geführt wird, fragt er erneut nach ihren rätselhaften Worten. Die hässliche Braut entschuldigt sich dreimal mit der Behauptung, ihre Magd würde ihre Gedanken tragen, und erzwingt dann die richtigen Antworten von Maleen. Zuletzt fragt der Prinz nach dem Geschmeide, das Jungfrau Maleen für sich behalten hat. Die hässliche Braut gibt daraufhin die Vertauschung zu und will Jungfrau Maleen köpfen lassen, aber der Prinz kommt und erkennt sie. Sie werden zusammen glücklich, die hässliche Braut wird geköpft.

Der sonst auf hochdeutsch abgedruckte Text enthält einige Formeln im Dialekt. Jungfrau Maleen sagt auf dem Weg zur Kirche:

Brennettelbusch, (Brennesselbusch)
Brennettelbusch so klene, (Brennesselbusch so klein)
Wat steist du hier allene? (Was stehst du hier allein?)
Ik hef de Tyt geweten, (Ich habe die Zeit gewusst (= es ist die Zeit gewesen),)
Da hef ik dy ungesaden, (Da hab ich dich ungesotten,)
Ungebraden eten. (Ungebraten gegessen.)
Karkstegels, brik nich, bün de rechte Brut nich. (Kirchentreppe, brich nicht, bin die rechte Braut nicht)
Karkendär, brik nich, bün de rechte Brut nich. (Kirchentür, brich nicht, bin die rechte Braut nicht)

Die falsche Braut hilft sich gegen die Fragen des Prinzen mit dem Satz:

Mut heruet na myne Maegt, (Muss heraus nach meiner Magd,)
De my myn Gedanken draegt. (Die mir meine Gedanken trägt)

Der Text endet mit einem Gedicht, das Kinder am verlassenen Turm der Jungfrau Maleen singen:

kling, klang kloria,
wer sitt in dissen Toria?
Dar sitt en Königsdochter in,
Die kann ik nich to seen krygn.
De Muer, de will nich bräken,
De Steen, de will nich stechen.
Hänschen mit de bunte Jak,
Kumm unn folg my achterna.